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Mehr Schwebensqualität.

So, Sep 18, 2011

Produkttests, Schuhe

Mehr Schwebensqualität.

Frauen lieben Schuhe. Läuferinnen lieben Laufschuhe. Auch wenn es manchmal gar nicht einfach ist, die verschiedenen Konzepte zu verstehen. Mit dem „PureProject“ gibt es ab Oktober ein neues von Brooks. Ich habe mich da mal reingewurschtelt – und bin den PureConnect probegelaufen.

Seit der „Minimal“-Trend bei den Laufschuhen boomt, ploppen immer neue Modelle und sogar ganze Marken hoch, die „weniger ist mehr“ versprechen. Barfußlaufen, so eine Studie des US-Magazins „Nature“ sei gesünder als Laufen mit modernen Laufschuhen. Der technisch ausgefeilte Laufschuh ist in Verruf geraten. Inzwischen kommen manche Läufer mit dem Nike Free auch auf langen Strecken zurecht, Freaks laufen mit den Five Fingers Marathon oder sogar mit selbstgebastelten Huaraches. Aber nicht jeder will oder kann das.

Ja, wie denn jetzt?

Der Normalo-Läufer bleibt verwirrt zurück. Was ist denn nun richtig? Wo ist der Unterschied zwischen einem Lightweight-Trainer und einem Wettkampfschuh und ist ein Neutralschuh ein Natural Running Schuh? Was ist der Unterschied zwischen Dämpfung und Stütze? Ist es schädlich, wenn man gut gedämpfte Schuhe mag? Brooks hat sich das ganze Schlamassel einmal angesehen und eine Menge Marktforschung betrieben. Die Entwickler haben Läufer befragt: Wovon reden sie wirklich, wenn sie vom Laufen reden? Quatschen sie über „Minimalistik“ über „Barfuß“ oder „Sprengung“?

Laufen ist fühlen.

Das Ergebnis ist ganz spannend und ich kann damit eine Menge anfangen. Die Läufer haben viel über ihre Gefühle beim Laufen gesprochen. Da gibt es dieses Gefühl: „Ich laufe einfach los, ganz wie von selbst. Ich denke an alles, nur nicht ans Laufen. Ich will auch gar nicht ans Laufen denken. Ich will möglichst komfortabel Strecke machen.“ Brooks nennt diese Gefühlsstimmung „Float“ (Schweben). Die meisten Schuhe von Brooks sind für diesen Float konzipiert, von Ghost bis Adrenaline.

Dann gibt es aber noch eine andere Stimmung: „Ich will bewusst laufen. Ich will den Boden spüren, jeden Schritt wahrnehmen. Ich will die verschiedenen Untergründe fühlen, bemerken, wie ich mich vorwärts bewege, die Bewegung genießen. Ich will spüren, dass ich ein Läufer bin.“ Brooks hat diese Stimmung „Feel“ genannt. Und genau dafür wurde das „PureProject“ konzipiert. Kaum jemand ist nur ein „Feel“- oder ein „Float“-Läufer, mal mag man das eine, mal das andere und wechselt entsprechend die Schuhe. Das ist erfrischend undogmatisch und entspricht auch meiner Erfahrung als Läuferin.

Quelle: www.pureproject.de

Quelle: www.pureproject.de Zum Vergrößern bitte anklicken.

Vier Schuhe für ein Hallelujah.

Hinter „PureProject“ verbirgt sich nicht ein Schuh, sondern gleich vier. Das hat mit den unterschiedlichen biomechanischen Bedürfnissen zu tun. Die oben abgebildete Grafik hilft hier eine Menge. Der direkteste Schuh ist der „PureConnect“. Er sorgt für intensiven Bodenkontakt, ist am leichtesten und flexibelsten von allen. Wer etwas mehr Dämpfung bevorzugt, wählt den „PureFlow“, er soll für ein komfortableres Laufgefühl sorgen. Für Läufer mit Überpronation, die etwas Support brauchen, ist der „PureCadence“ geeignet. Diese Läufer kommen bei Minimalistik-Konzepten meist zu kurz, weil eine Stütze der „Freedom“-Philosophie scheinbar widerspricht. Brooks sieht diesen Widerspruch nicht. Eine Besonderheit ist der „PureGrit“, der mit der Trail-Legende Scott Jurek zusammen entwickelt wurde. Er hat eine besonders griffige Sohle und optimale Festigkeit für den Lauf über Stock und Stein.

Hier im Video werden alle Modelle kurz gezeigt und vorgestellt.

Der Test

Ich hatte das Glück, einen der Schuhe, vorab testen zu dürfen, den PureConnect. Wie immer muss ich erst einmal ein paar dürre Worte zum Thema „Frauenschuh und Farben“ verlieren. Wenn ich an einer Strandpromenade in Florida meine Hausstrecke hätte, wäre ich mit dem Mint-Schock, der mir aus dem Karton entgegenlacht, vielleicht sogar zufrieden.

Brooks PureConnect 2

Aber im deutschen Herbst ist die Farbe einfach seltsam und mal wieder zu viel Nagelstudio. Die Herrenmodelle wirken wie aus einem Guss, mit einem kräftigen Grün in Verbindung mit Schwarz. Die Damenmodelle sind dagegen ein wenig unentschieden mit unterschiedlichen Blau- und Minttönen. Der PureCadence ist allerdings wirklich bildschön. Dass ein Frauenschuh mal so aussehen darf!

Quelle: www.pureproject.de

Quelle: www.pureproject.de

Auf einem Messefoto habe ich eine Version des PureConnect in einer Himbeerfarbe gesehen. Ich kann schon jetzt sagen: wenn diese Farbe kommt, bin ich dem Schuh rettungslos verfallen.

Ich werde ja generell nicht müde, die Passform von Brooks Schuhen zu loben, aber hier haben sich die Labor-Bastler noch einmal selbst übertroffen. Ich schlüpfe in den Schuh und sitze sofort ganz fest darin. Das ist auch Absicht – bevor man eins mit dem Untergrund werden kann, soll man erst einmal eins mit dem Schuh werden. Das Gefühl im Schuh ist tatsächlich verwandter mit dem in den Five Fingers als mit dem im Nike Free.

Gegenüber einem „normalen“ Schuh hat der PureConnect ein paar augenfällige Besonderheiten.

1. Die Außensohle

Sie wirkt beinahe ein bisschen zerklüftet. Es gibt diverse Aussparungen, die an entscheidenden Stellen für mehr Flexibilität sorgen sollen. Die schwarzen verstärkten Flächen geben den Abrollverlauf vor: schräg nach vorne zum großen Zeh.

Brooks PureConnect Sohle1

Auch beim Green Silence war schon der Abrollverlauf angedeutet.

Auch beim Green Silence war schon der Abrollverlauf angedeutet.

2. Der abgeteilte große Zeh

Er hilft ebenfalls, ein natürliches Abrollverhalten zu fördern.

Brooks PureConnect Zeh1

Brooks PureConnect Zeh2

3. Das Obermaterial

Eine der Mesh-Lagen ist sehr großporig, mit dunklen Socken sehen die Schuhe aus wie getupft. Das spart Gewicht, sorgt für gute Lüftung und den Feuchtigkeitsabtransport, auch bei Regen.

4. Das Halteband im Mittelfußbereich

Brooks nennt es Nav Band. Mit Hilfe dieses elastischen Bandes sitzt der Schuh ganz fest am Fuß.

Brooks PureConnect Nav Band

5. Die hochgezogene Fersenverstärkung

Auch sie ist dafür da, dass der Fuß fest und sicher im Schuh sitzt.

Brooks PureConnect Ferse

6. Die „fußige“ Form

Wenn man genau hinsieht, erkennt man, dass die Form des Schuhs insgesamt der asymmetrischen Form des Fußes folgt, auch im Zehenbereich.

Die ersten Schritte.

Der Start im PureConnect ist aufregend. Der Schuh ist abenteuerlich leicht, in Größe 41 nicht einmal 200 Gramm.

Brooks PureConnect1

Er wiegt beinahe aufs Gramm genau so viel wie der Nike Free 3.0. Aber von der Lauferfahrung haben die beiden nicht viel miteinander gemein. So sehr ich eine kleine Runde mit dem Free schätze, so sehr habe ich mich oft an einem wabbeligen, schwammigen Gefühl gestört. Mit dem PureConnect ist das anders. Ich fühle mich sicher und schwimme überhaupt nicht. Bei aller Leichtigkeit ist der PureConnect da für mich. Er gibt mir insbesondere im Mittelfuß einen festen Halt, ohne dass ich mich in meiner Freiheit eingeschränkt fühle. Das Abrollgefühl ist „tatzig“ und es klingt auch ein bisschen so. Wer einen knackigen Wettkampfschuh gewohnt ist, der wird überrascht sein, wie soft sich der PureConnect vom Boden löst. Aber soft ist in diesem Fall weder schwammig noch überdämpft. Ein sehr interessantes, federleichtes und angenehmes Laufgefühl. Kontrolliertes, bewusstes Schweben. Die Rechnung mit dem abgeteilten Zeh geht auf: Ich rolle sauber über den großen Zeh ab, zumindest fühlt es sich so an. Obwohl man mit dem PureConnect auch vor sich hin trotten kann, kommt der ganze Laufspaß erst, wenn man ein bisschen Gas gibt. Jetzt kann man das Abrollen der Tatzen voll genießen. Was für eine Freude!

Brooks PureConnect 3

Fazit:

Das PureProject Konzept unterscheidet verschiedene Bedürfnisse und biomechanische Besonderheiten. Das macht es so reizvoll für alle, die sich bisher nicht an leichte Schuhe herangetraut haben, zum Beispiel Überpronierer oder Trailläufer.

Der PureConnect verleiht kein Barfußgefühl. Aber er passt sich dem Fuß und dem Laufverhalten so gut an, dass man mit dem Schuh eins werden kann, was für ein tolles Laufgefühl sorgt.

Er verhindert trotz größter Flexibilität ein wabbeliges Gefühl und ist somit eine tolle Alternative für alle, die mit dem Nike Free nicht gut zurecht kommen.

Merke: Schuhtechnologie ist nicht per se schlecht. Es kommt darauf an, was man daraus macht.

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Mehr Infos gibt’s unter:

brooksrunning.de

pureproject.de

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6Antworten um “Mehr Schwebensqualität.”

  1. Lizzy Says:

    ooohhhh NEIN! Muss denn so ein Bericht sein?! Ich hab‘ doch nun WIRKLICH genug Laufschuhe …

    auf der Suche nach Anprobiermöglichkeiten grüßt

    Lizzy

  2. admin Says:

    Lizzy, man hat NIE genug Laufschuhe. 🙂 Ich glaube, Ende nächster Woche kommen sie in die Läden.

  3. Uta Says:

    na prima, mein Zahn tropft.
    grüße von der nikefree/ brooksglycerinläuferin
    Uta

  4. Norman Says:

    Danke für den guten und ausführlichen Test!
    Ich glaube ich werde im Frühjahr doch keinen Free kaufen, sondern einen Pure von Brooks. Nur welchen weis ich noch nicht genau.
    Ich frage mich nur, ob die Pure auch mit meinem hohem Gewicht klar kommen?

    Übrigens, ich habe deinen Blog mal in meine Blogroll aufgenommen.
    Hoffe das ist ok?

    Grüße,
    Norman

  5. admin Says:

    @Norman Das Tolle ist, dass Du bei Brooks mehrere aus der Serie zur Verfügung hast. Eine Freundin fühlte sich in dem PureFlow viel besser als in dem PureConnect. Das muss man eben ausprobieren. Und auch wegen des Gewichts kann man sich da ja rantasten. Immer mal eine kurze Runde drehen. Ich laufe inzwischen problemlos 10km mit dem PureConnect, das würde ich mich mit dem Free nicht trauen.

    Natürlich freue ich mich, wenn Du mich verlinkst!

  6. Begun65 Says:

    Danke für den Bericht! Er bestätigt mein „Vorspiel“ das ich damit hatte: bin in Five Fingers 10km zum Laden gelaufen, um die Pure connect zu testen, leider nicht in meiner Größe. Das Gefühl beim Loslaufen war einfach unbeschreiblich, ich bin automatisch schneller geworden – es war wie fliegen!!! Jetzt warte ich, um in 2 Wochen meine Größe in orange zu kriegen. Freu mich schon wahnsinnig auf den ersten Lauf!


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