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Von Jesus, Fitnessnüssen und Teekesseln.

Von Jesus, Fitnessnüssen und Teekesseln.

Der Feldberglauf im Taunus (2006).

„Jesus ist Sieger.“ so steht es auf einer Sporttasche in der Mädchenumkleide der International School in Oberursel. Ich finde das langweilig. Ein Volkslauf, bei dem der Gewinner von vorne-herein feststeht – wo gibt’s denn sowas. Warum geben die da vorne sich denn überhaupt noch so eine Mühe und watzen los, als ging’s um was? Um eine Urkunde zum Beispiel, oder gar um ein Zellophan-Gebinde der ortsansässigen Drogerie. Mit hellblauem Frotteewaschlappen und Shampoo der Geschmacksrichtung Mango Gurke. Das soll alles dieser Jesus abgreifen? In welcher Altersklasse startet der überhaupt?

Kopfschüttelnd begebe ich mich zum Start. Es sind 10 km zu laufen. Gemessen an den 25 km des letzten Sonntags ist das läppisch. Allerdings sind dabei knapp 600 Höhenmeter zu bewältigen. Gemessen an meinem Trainingszustand ist das furchtbar.



Es geht auf den Feldberg (auch in diesem Jahr füge ich „Feldberg in Klammern Hessen“ hinzu). Die Strecke ist für mich eine alte Bekannte und auch schnell beschrieben: es geht bergauf, dann weiter bergauf, dann noch ein Stückchen bergauf, danach eine Winzigkeit bergab, dann wieder bergauf und ganz zum Schluss noch einmal sowas von bergauf. Wer hier läuft, ist illusionslos. Und hat niemanden, der ihm sonntags morgens Eier mit Speck brät. Anders ist das alles nicht zu erklären.

hoehenprofil_feldberg

Im Starterfeld entdecke ich eine junge Frau, die ich kenne. Sie war mal mein „Coach“ in einem Fitness-Studio. Ich hatte mich aus Verzweiflung dort angemeldet. Ich konnte nämlich eine zeitlang verletzungsbedingt nicht laufen und wollte wenigstens irgendetwas tun. Mein Coach wollte sofort einen Fitness-Test auf dem Laufband mit mir machen. Ich sagte: „Ich kann im Moment nicht laufen, deswegen bin ich ja hier.“ Darauf sagte mein Coach: „Jetzt sperr dich doch nicht so. Das muss dir nicht peinlich sein, wenn du nicht so fit bist, wir kriegen das schon hin.“ Ich habe dann die Mitgliedschaft gleich wieder gekündigt. Jetzt steht der Coach hinter mir und das gefällt mir gar nicht. Wahrscheinlich schießt sie gleich mit einem „Das muss dir nicht peinlich sein“ an mir vorbei.

Außer ihr entdecke ich einige weitere bekannte Gesichter wie zum Beispiel den Teekessel. Der Teekessel ist ein Läufer mit einer anatomischen Besonderheit: sein Atem pfeift. Es handelt sich dabei nicht nur um so ein kleines „pfüt“, oder ein „hui“. Es ist vielmehr ein lautes, rhythmisch Wiederkehrendes „üüüd“. Es klingt wie … nun ja, ein Teekessel eben. Dass er damit gut vorwärts kommt, ist bewundernswert. Für die eingekesselten Läufer bedeutet seine Gesellschaft allerdings eine nervliche Herausforderung. Der Teekessel läuft wie immer in einem T-Shirt mit der Aufschrift „Kochs Meerrettich“ und ich weiß Bescheid. Vorsichtshalber lege ich etwas Abstand zwischen uns.

[stextbox id=“info“ float=“true“ align=“right“ color=“696969″ bcolor=“f4a460″ bgcolor=“f5f5f5″]Später nochmal lesen? Hier gibt’s eine Druckversion als PDF.[/stextbox]

Außer ihm sind viele weitere alte Hasen am Start, darunter ein großer Prozentsatz der Fraktion „Never wash a winning shirt“. Aber ich werde langsam altersmilde und so stört mich die säuerliche Wolke kaum.

Der Mann mit dem Megaphon am Start trötet etwas von „Schnee…kein …oblem…drumherum…fen“. Das klingt sehr vielversprechend. Peng. Wir juckeln los.

Feldberglauf_Start

Auf den ersten hundert Metern habe ich noch Freude an einer ausgiebigen Stilstudie. Wenn es streng bergauf geht, sieht irgendwie niemand richtig gut aus, man schaukelt sich unter heftigem Armeinsatz nach oben. Der Teekessel ist außer Hörweite, der Coach erst einmal hinter mir, ich bin zufrieden. Es ist zwar kalt und windig, aber die Sonne scheint und der Boden ist trocken. Beste Bedingungen also. Da die Gespräche selbst unter den gefürchtetsten Plapperfischen sofort verstummen, gibt es weiter kaum etwas zu berichten. Bis zu dem ersten Schneefeld, wo man drumherum…fen kann. Das geht nicht so richtig gut, denn drumherum sind glitschige Rinnen oder Wald. So rutschen wir uns durch die kritischen Stellen und abermals leidet unsere Eleganz.

Nach einer Weile höre ich eine Frauenstimme hinter mir und ich bin mir sicher: jetzt wird es passieren. Gleich wirst du von dieser Fitnessnuss federnden Schrittes überlaufen. Aber die einzige, die kurz darauf an mir vorbeiläuft, ist eine ältere Dame und die darf das. Schließlich will ich auch einmal eine ältere Dame sein, die an jüngeren Damen vorbeiläuft. Ausgerechnet auf den letzten heftigen 2000 Metern suchen uns noch einmal zwei Schneefelder heim. Hier ist der Schnee in der Mitte allerdings bereits in butterstreuselartigem Zustand. Augenblicklich schwenkt meine Begierde von Eiern mit Speck zu Streuselkuchen. Jetzt nur noch den letzten Kilometer.

[stextbox id=“info“ color=“696969″ bcolor=“ffdead“ bgcolor=“fffaf0″]Diesen Text gibt es übrigens auch als Podcast-Episode![/stextbox]

Viele Läufer gehen hier bereits. Es ist so steil, dass es mir nicht gelingt, die Läuferin vor mir einzuholen, obwohl sie geht und ich laufe. Oder wie immer man dieses Trippelschrittgeschaukel nennen mag, das mir gerade noch gelingt.

Im Ziel bin ich fast ein bisschen enttäuscht. Noch bei km 8 dachte ich, ich könnte 1:10 schaffen – mein Ziel für heute. Es schien mir unvorstellbar, für einen Kilometer 10 Minuten zu brauchen. Doch auf dem Feldberg ist alles möglich. Sogar der Genuss heißen Tees und das Überstreifen einer trockenen, warmen Weste, die man sich per Bus hat nach oben bringen lassen. Mehr wollen wir aber nicht dem Bus überlassen. Wie einige andere machen mein Trainingspartner und ich uns wieder auf den Weg nach unten – zu Fuß, wie sich das für knallharte Läufer gehört, die blöde Fitnesstanten weit hinter sich gelassen haben.

Feldberglauf_Ziel

Zum Schluss noch eine Anmerkung: Jesus startete in diesem Jahr für „pace-makers.de“ unter dem Pseudonym Christoph Fuhrbach. Für die anspruchsvolle Strecke brauchte er genau 42 Minuten und 49 Sekunden. Donnerwetter.


(Bilder und Grafiken mit freundlicher Genehmigung von Kai Herzberger, Team Feldberglauf)

[stextbox id=“grey“]Mehr zu Lauf und Veranstalter gibt’s unter www.feldberglauf.de[/stextbox]

 

Der Start in Oberursel?

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