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Von heiligen Orten, hohen Geysiren und haarigen Waden.

So, Aug 26, 2007

Egelsbach, Egelsbach07, Laufberichte

Von heiligen Orten, hohen Geysiren und haarigen Waden.

Der Koberstädter Waldmarathon 2007 (21,1 km)

Es gibt Orte, an die muss man im Leben immer wieder zurückkehren. Das Elternhaus zum Beispiel, der Hotdog-Stand bei Ikea, oder das kleine Sportstadion in Egelsbach. Manche Dinge gibt es eben nur dort. In letzterem Fall gibt es sie sogar nur dann nur dort, wenn „der Koberstädter“ stattfindet, die Marathonveranstaltung mit den schönsten Toilettenwagen des hessischen Volkslaufgeschehens.

Egelsbach_Klowagen

Die Veranstalter des „Koberstädter Waldmarathons“ bringen es zuwege, ganze Hundertschaften von hibbeligen Läufern lässig mit Startnummern, Laufchips, Pepsi und später mit Kuchen, Kuchen und Kuchen zu versorgen. Und gleichzeitig den Eindruck entstehen zu lassen, der Lauf im Wald bei Egelsbach wäre ein familiärer Dorflauf für wenige Eingeweihte.

Egelsbach_Trouble_Desk

Morgens um acht ist er das sogar. Dann starten die Marathonläufer – eine überschau- bare Gruppe von Wissenden. Sie wissen um leere Parkplätze, freie Waldwege und die Schönheit einer hessischen Moderation. Später, gegen halb zehn kommt die Masse der Nichtwissenden, zu der ich heute gehöre. Die Parkplätze werden rar, die Waldwege bald überlaufen und das Hessisch weicht dem professionellen Timbre von „Vanman“ Jochen Heringhaus. Und trotzdem: die Magie bleibt.

Hier freut man sich über alles: das sonnige Wetter, die bereitgestellten Erfrischungs- getränke der Marke „Schwip Schwap“ und einen Bürgermeister, der klingt, als hätte er die letzte Nacht durchgefeiert. Als er den Startschuss gibt, ertönt „Chariots of Fire“ von Vangelis. Auf Egelsbach ist Verlass. An der Startlinie befinden sich neben knapp tausend entfesselten Egelsbach-Fans mein Trainingspartner, eine befreundete Halbmarathon- Debütantin und ich. Um uns herum wedeln Pacemaker-Luftballons. Man knäult sich. Zwei-Stunden-Läufer genießen die Pace des 1:40-Tempomachers, der 1:50-Zugläufer steckt gänzlich im Verkehr fest. Auch das stimmt leider: die Starter hier sind nicht die Diszipliniertesten, wenn es um die Startaufstellung geht. Dafür machen die Helfer an der Strecke gleich zu Beginn eine kleine La-Ola für uns, das entschädigt für Vieles.

Egelsbach_Ballons

Nach fünf Kilometern habe ich mich einigermaßen freigekämpft und sehne ein Getränk herbei. Es ist heftig warm geworden. Obwohl wir beinahe nur durch den Wald laufen, bin ich bereits vollständig durchnässt. Ich denke ein bisschen an eine äthiopische Läuferin, die Dibaba heißt und bei der Leichtathletik-WM in Osaka 35 Grad trotzte. Das hilft irgendwie. Frau Dibaba läuft zwar geringfügig schöner und einen Ticken schneller als ich, aber heute sind wir alle Äthiopier. Außer vielleicht dem Wesen, das vor mir läuft, das ist ein Megalosaurus. Wegen seiner immensen Körpergröße sehe ich nicht, dass ein „Fotopoint“ naht und eine freundliche Dame schweißnasse Zweifüßler fotografiert. Macht nix. Hauptsache, ich verpasse keinen Becher am Verpflegungsstand. Die Wärme drückt.

Damit es nicht langweilig wird, liefere ich mir ein kleines Duell mit einem Herrn in Schwarz. Bergauf ist er schneller, bergab ich. Ich bin gespannt, wer wen am Ende zersägt. An neuralgischen Punkten im Wald stehen kleine Fangruppen, die so rührend tröten, klingeln und klatschen, dass man sie nur in Anbetracht der eigenen Achselnässe nicht umarmt. Plötzlich sehe ich von Weitem eine Art Geysir und bin verwirrt. Seit wann gibt es hier im Wald einen riesigen Springbrunnen? Ich kombiniere langsam. Wie schlicht das Gemüt wird, wenn man bei 27 Grad läuft, zeigt sich auch an der Dame neben mir, die jetzt „Wasser! Wie geil ist das denn!“ ausruft. Tatsächlich haben sich die Herren der Feuerwehr etwas einfallen lassen und ein paar Schläuche in den Wald gelegt, aus denen es in die Höhe sprudelt. Dankbar laufen wir ganz nah daran vorbei.

Im letzten Stück gibt es eine Asphalt-Passage und die auf dem Waldweg hin und her schubbernden Fußsohlen können ausruhen. Ich mag Asphalt und spüre noch etwas Kraft. Ganz klar: der Mann in Schwarz muss jetzt dran glauben.

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Zur Belohnung erwische ich sogar den zweiten Foto-Point. Am Eingang zum Stadion steht ein Helfer, der jeden Einzelnen vor einer kleinen Bodenwelle warnt. Das 2000-beinige Läuferfeld wird persönlich betreut.

Nach einer ausreichenden Menge „Schwip Schwap“ (Wie geil ist das denn?) kann ich meine Zeit genießen. Mit 1:52 arbeite ich mich gemächlich wieder an (gute) alte Zeiten heran. Auf dem gepflegten Stadionrasen ist gut Liegen und so finden wir hier wieder zusammen. Die Debütantin hat sich mit 1:58 einen grandiosen Erstling geschenkt. Wir sind stolz auf sie, auf uns und auf Egelsbach. Zur Entspannung machen wir noch einen kleinen Barfuß-auf-dem-Rasen-Schlapp-Schlapp. Dann holen wir uns unser Präsent ab. Die T-Shirts sind alle (macht nichts – ich hab ja schon zwei) und so bekommen wir stattdessen eine kleine Bauchtasche (Warum freut man sich eigentlich über Dinge, die man weder braucht, noch benutzt?).

Cafe_Koberstadt Egelsbach_Kuchen07

Das obligatorische Anstehen an der überdimensionierten Kuchentheke wird mit Live-Musik untermalt – seit der Abwahl des legendären Country-Frühschoppens beim Volklauf in Kahl ist uns dergleichen nicht mehr passiert. Nichts trübt unseren Kuchengenuss – nicht einmal unser Sitznachbar, der seine haarigen Waden mit streng nach Eukalyptus riechendem Tiger-Balm einschmiert. So ist das eben mit Läufern.

Egelsbach, wir kommen wieder.

Egelsbach_Kuchen2

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