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Guten Abend, gut Nacht.

So, Mai 27, 2012

Laufberichte, O - Z, Schwanheim

Guten Abend, gut Nacht.

Der heilige Geist ist kein Läufer. Zumindest nicht, wenn man bildlichen Darstellungen Glauben schenken darf. Dort ist er immer fliegend unterwegs. Es bleibt also ein Rätsel, warum es zu Pfingsten so viele Volksläufe gibt. Eine Flugschau wäre naheliegender. Aber Sportvereine sind ja stets skrupellos, wenn es um die rücksichtslose Ausbeutung von Anlässen in ihrem Sinne geht. Kaum ist mal irgendwo ein Tag arbeitsfrei, drückt mit Macht ein Volkslauf in den Kalender.

Seit ich selbstständig bin, weiß ich nicht mehr genau, wann eigentlich arbeitsfrei sein sollte und so übersehe ich auch schon mal einen Volkslauf. Vor allem, wenn er abends stattfindet. Wer volksläuft schon abends. Den Schwanheimer Pfingstlauf habe ich folgerichtig vergessen und bin deshalb morgens gelaufen. Morgens muss man sich keine Gedanken machen, wann man isst und ob man Wimperntusche trägt, die mitlaufen möchte. Man duscht auch nicht zwei Mal am Tag. Man steht auf, läuft und dann fängt der Tag an. Als ich nach dem Laufen geduscht und gewimperntuscht war, bereit zum Frühstück, entdeckte ich den Schwanheimer zufällig im Internet. Ich war dort noch nie. Normalerweise pfingstlaufe ich Montags morgens in Kelkheim Hornau, dort ist es wunderbar, und es stimmt einfach alles. Dieses Jahr passt aber der Termin nicht so gut. Frankfurt-Schwanheim wäre eine Alternative.

Bei mir geht es derzeit um nichts, außer ums verletzungsfreie Dumdideldumlaufen und deshalb ist es eigentlich egal, dass der Volkslauf an diesem Tag meine zweite Etappe wäre. Es ist ja nur ein 10 km-Lauf, den kriege ich immer hin. Morgens waren es 11 km, es wäre also ein Halbmarathon mit einer kleinen Unterbrechung durch Duschen, Frühstücken und Einkaufen. Vielleicht sollte man das ohnehin mal als eigene Disziplin anbieten.

Am Nachmittag mache ich mich auf nach Schwanheim. Die Schwanheimer drucken auf alles, was sich bedrucken lässt, einen wunderschönen weißen Schwan. Dabei kommt ihr Ortsname eigentlich von „Sweinheim“ und überall müssten dicke Wutzen abgedruckt sein. Aber das wäre natürlich nicht so schick. Die Wutzen suhlten sich früher im Wald, davon hat Schwanheim immer noch reichlich. Statt Borstenvieh werden heute dort Läufer durchgetrieben. Die graben den Boden nicht so auf, fressen keine Eicheln, trinken dafür aber mehr, besonders bei 27 Grad. Der TGS Schwanheim ist darauf aber eingerichtet. Der diesjährige Lauf ist ein Jubiläumslauf und steht obendrein unter dem Motto für oder gegen Zivilcourage, so genau weiß ich das nicht mehr, denn das Motto spielt vor Ort nicht wirklich eine große Rolle.

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Für das gemütliche Beisammensein, wie es in der Fachsprache von Vereinen heißt, haben die Schwanheimer ein wunderschönes Plätzchen unter alten Eichen ausgesucht. Die Sportanlage ist von großer Lieblichkeit. Als ich ankomme, sieht es mehr nach Biergarten aus als nach Volkslauf. Wie oft bei solchen Gelegenheiten denke ich, man könnte viel Zeit sparen, wenn man sich gleich das Weizen greifen und den Lauf sparen würde. Morgens denke ich das nie.

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Ein paar der üblichen Verdächtigen sind gekommen und auffallend viele junge Menschen. Um 17 Uhr scheint der ein oder andere doch ausgeschlafen zu haben. Wir starten auf einer Asphaltstraße im Wald und der Untergrund bleibt auch erst einmal geteert. Speziell für Volksläufe im witterungsunbeständigen Frühjahr hat man hier eine Fußbodenheizung eingebaut. Obwohl die Sonne scheint, wurde allerdings vergessen, sie abzuschalten. Mit der Wärme von oben und unten fühle ich mich wie in einem Falaffelbrotröster. Glücklicherweise geraten wir bald auf einen Waldweg, der scheinbar keine Fußbodenheizung hat und es wird besser. Die Strecke ist nicht eben aufregend, es sei denn, man findet Wald per se spannend, was durchaus gerechtfertigt ist. Darüber hinaus aber bietet der Kurs gefühlte 3 Höhenmeter Unterschied und er besticht durch eine gewisse gleichförmige Schneisigkeit, aus der es allerdings reizend zwitschert. Damit es unterwegs wenigstens ein bisschen Action gibt, läuft man erst eine Schleife nach Westen, kommt dann ganz nah am Ziel vorbei und läuft dann eine Schleife nach Osten. Eine Art gebundener Streckenschnürsenkel. Ich trabe mich ein.

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Meine Mitläufer sind heute wenig unterhaltsam. Sie erzählen sich nicht gegenseitig ihre Lebensgeschichte und tragen erschütternd normale Laufkleidung. Nur einige Laufröcke kann ich sichten, den Trendholzweg der Laufmode. Aber bitte. Jede wie sie mag. Bei km 3 rast plötzlich eine Maus neben mir her. Sie trägt keine Startnummer und ich frage mich, was sie an einem Samstag zu derartiger Eile antreibt. Schließen die Mausgeschäfte um 17:30 Uhr? Muss sie noch Sachen aus der Reinigung holen? Läuft ihr Parkticket ab? Die geschäftige Maus nickt mir trotz ihrer Geschwindigkeit freundlich zu und ich grüße zurück. Schwanheimer Mäuse sind sehr höfliche Tiere.

Bei km 5 gibt es etwas zu trinken. Heute ist das wirklich angenehm. Außerdem stehen hier ein paar Fans, denn wir sind im Knoten der Strecke angekommen. Ein Sponsor nennt die Stelle „Jubelmeile“, wobei nur der erste Teil des Wortes stimmt. Es sind mehr Jubelmeter. Der Begriff ist aber immer noch besser als „Stimmungsnest“, das Lieblingswort entfesselter Marathon-Moderatoren, die vor einer trommelnden Familie am Streckenrand stehen. In jedem Fall jubelt es in Schwanheim bei km 5 und das ist ja auch ganz hübsch. Danach tauchen wir wieder in die Schneisen ein.

Inzwischen beschäftigen mich auch weniger die äußeren Eindrücke als mein Innenleben. Genauer gesagt, das in der Magengegend. Vor 3 – 4 Stunden habe ich gefrühstückt, eigentlich sollte das lange genug her sein. Aber ich bin nicht nur eine Morgenläuferin, sondern auch eine, die gern mit nahezu leerem Magen losstürzt. Ich hasse es, wenn ich Lebensmittel mit auf die Strecke nehmen muss, egal, wo ich sie transportiere. Im Internet erfahre ich später, dass Erbsenbrei, gebratener Hase, Beefsteak und Hering in Salzlake schon mal 4 – 6 Stunden im Magen liegen können, Kichererbsen, Ölsardinen und Schweinshaxe sogar 8 Stunden und mehr. Alles Dinge, die ich gewöhnlich frühstücke und so ist es kein Wunder, dass mich meine Innereien plagen. Der Magen hat offensichtlich den Platz mit der Lunge getauscht, sollte es zu einem Stülpvorgang kommen, schätzt er kurze Wege. Nein, schön fühlt sich das nicht an. Ich habe es ja immer gesagt: wer morgens läuft, hat diese Probleme nicht. Nun ist es aber in jeder Hinsicht zu spät und ich muss sehen, wie ich ins Ziel komme. Ich beginne mal wieder zu rechnen. Ein 5:30er Schnitt sollte es schon sein. Warum, weiß ich nicht, solche Limits setzt man sich ja ohne Not. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum die Maus so schnell war. Reine Trainingsgeschwindigkeit. Bliebe das Müsli dort, wo ich es vor Stunden hingeschubst habe, ginge alles gut. Inzwischen ist mir furchtbar heiß und ich stelle mir vor, wie die Milch in meinem Bauch langsam zu kochen beginnt. Und Milch kann ja schon mal überkochen, wenn man nicht Acht gibt. Ich ächze ein wenig und erinnere mich selbst an den Stöhnläufer, der heute nicht hier ist. Vielleicht hat der ja auch immer zu spät gegessen. Als ich in das kleine Stadion einbiege, bin ich heilfroh, dass alles gut gegangen ist. 54:50. Gut gerechnet.

Nach Kaffee und Kuchen ist mir so spät nicht mehr, zumal es keinen mehr gibt. Noch so ne Sache bei Abendläufen. Aber es gibt mein Lieblingsbier, was mein Magen und ich dankbar annehmen. In meiner Altersklasse erreiche ich mit meiner zweiten Tagesetappe noch Platz 10 von 29. Damit bin ich ganz zufrieden, auch wenn ich nicht eben geflogen bin. Aber ich bin ja auch nicht der heilige Geist.

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[stextbox id=“info“ color=“696969″ bcolor=“ffdead“ bgcolor=“ffffff“]Mehr zu Lauf und Veranstalter gibt’s auf der Seite der TGS Schwanheim.[/stextbox]

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3Antworten um “Guten Abend, gut Nacht.”

  1. Juppes Says:

    Ein weiterer Abendlauf am Freitag, 10. August um 18.30 Uhr: http://www.malberglauf.de. 6 km mit plus 370 und minus 100 Höhenmetern. Siegerehrung an der Skihütte Malberg mit Alphornbläsern und toller Rundsicht auf den rheinischen Westerwald.

  2. Carlo66 Says:

    Grins!
    Ich war auch da im Schwanheimer Wald, bin sogar gelaufen, obwohl ich mir für 2012 vorgenommen hatte, im Sommer Läufe nur noch nachzumelden, denn wenn es heiß ist, so wie am Samstag werden meine Zeiten ziemlich schlecht und ich kann mir dann je nach Wetterlage entscheiden ob ich starten will oder eben nicht. Nun war ich trotz über 15 Jahre Lauferfahrung auch eben noch nicht beim Schwanheimer Pfingstlauf und hatte vorgemeldet und es kam eben wie es kommen mußte. Es wurde halt mal wieder nur ein schneller Trainingslauf.
    Übrigens, liebe Frau Schmidt; in der aktuellen Runner`sWorld empfiehlt der Trainingstipp des Monats: Haben sie schon einmal darüber nachgedacht, ab und zu zweimal täglich zu trainieren, z.B. am WE wenn Sie sowieso mehr Zeit haben? Morgens eine intensive Einheit und abends zusätzlich noch ein längeres Auslaufen. Ungewohnt aber wirkungsvoll.
    Also alles richtig gemacht :-).

  3. manuel Says:

    So ein Bier hat man sich nach dem Wettkampf auch redlich verdient 🙂


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