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Zizidä Zizidä, Zwietz Zwietz.

Mo, Mai 1, 2006

G - N, Laufberichte, Nieder-Erlenbach

Zizidä Zizidä, Zwietz Zwietz.

10 km in Nieder-Erlenbach (2006)

Ich mag Amseln. Reizende Vögel. Und so munter. Morgens um 6 Uhr. Auf einem Ast, in bester Beschallungshöhe gegenüber meinem Schlafzimmerfenster sitzt so eine Art Amselpavarotti und gibt alles. An Schlaf ist nicht zu denken. Um sieben muss ich eh raus, volkslaufen. Während der total entfesselte Amselsänger so tut, als wäre es Frühling, hole ich meine langen Tights und das lange Shirt aus dem Schrank: draußen sind fünf Grad. Heute geht es nach Nieder-Erlenbach. Ich bin völlig gelassen, denn es ist ein 10er. Das ist nicht so schlimm. Danach kann man noch problemlos Radtouren machen. Könnte man. Wenn Frühling wäre und man nicht damit rechnen müsste unterwegs schockgefrostet zu werden. 

Aber ich will nicht nölen. Nölen ist schlecht für die deutsche Wirtschaft. Und für’s Mentale. Das Mentale braucht man in Nieder-Erlenbach, es geht schließlich bergauf. Und das dreimal, denn es sind drei Runden. Rational betrachtet ist die Strecke völlig bekloppt: man dreht eine Runde im Stadion, dann läuft man ein paar Meter flach, dann 1,5 Kilometer bergauf und dann schießt man wieder nach unten. Dann wieder 1,5 Kilometer … und so weiter. Trotzdem liebe ich diese Strecke. Obwohl es sich um 10 km, also einen vergleichsweise kurzen Kurs handelt, muss man nicht von Anfang an losheizen, wie ein angeschossener Elch. Es wäre sogar fatal, denn man sollte Kräfte sparen. „Laufzurückhaltung statt Kaufzurückhaltung“. Nichts finde ich großartiger als diese Lizenz zum Langsamlaufen. Wenn man es sich richtig einteilt, ist man obendrein am Ende der König. Wenn.



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Der Stadionsprecher kämpft wie jedes Jahr mit der Anlage und wir frieren uns dabei ein bisschen warm. Die Startnummer kann man praktischerweise problemlos als Muff verwenden – sie ist so groß, dass man sich die Sicherheitsnadeln am Rücken feststecken muss. Na ja, jedenfalls fast. Die üblichen Verdächtigen laufen ein: Zausel mit bis an die Wade hochgezogenen morschen Socken, „der Schleifer“, ein Läufer mit schuhzer- schleißendem Laufstil, Alfred Ditzinger, Wunderläufer der M 70, und Frank Zimmer, der die Läufe der Gegend so oft gewinnt, dass es beinahe schon langweilig ist. Zwei aufgeregte Damen schnattern an uns vorbei: „Ich laufe die ersten drei Runden langsam und dann schau’n wir mal.“ Eine interessante Taktik. Mal schau‘n, wenn man im Ziel ist.

Nieder-Erlenbach-Start

Im Gesträuch sitzt ein Kumpel von meinem gefiederten Pavarotti daheim, die Sonne blinzelt sogar ein bisschen auf den Sportplatz und ich freue mich. Viel Zeit bleibt mir dafür allerdings nicht, denn kurz nach dem Start ist Schluss mit lustig.

Nieder-Erlenbach-Stadion-neu

Der erste Anstieg ist ordentlich. Es ist komisch, sich am Berg extra zu bremsen, aber man muss. Andernfalls droht läuferisches Ableben bei km sieben. Beim Bergablaufen bremse ich nicht mehr, aber ich drücke auch nicht. So wie’s läuft, läuft’s. In der zweiten Runde geht’s mir gar nicht gut. Zum Glück erinnere ich mich, dass es mir in der zweiten Runde hier noch nie gut ging. 

Dafür geht’s Frank Zimmer gut und wenn es nicht so sein sollte, kann er es zumindest hervorragend verbergen. Er überrundet mich und darf zum Stadion einbiegen, während ich nochmal ran muss. Jetzt braucht man es wieder, das Mentale. Wo war’s doch nochmal gleich … Während ich noch auf der Suche nach dem Mentalen bin, schiebt Alfred an mir vorbei. Ich habe überhaupt keine Chance, diesem Schritt am Berg kann ich nicht folgen. Dafür habe ich mich wieder an einen Herrn herangearbeitet, der verdächtig schnauft. Ich schnaufe zwar lauter, aber weil ich das Mentale wiedergefunden habe, kann ich meinen Atem nicht hören. Ich höre nur seinen. Endlich habe ich einen anderen Gegner als mich. Einen Nacken, in den ich starren kann. Ich starre und sauge mich an. Es funktioniert. Ich kriege ihn, kurz vor Ende des Berges. 



Jetzt kann nicht mehr viel passieren. 1 km, bergab. Gas. Jetzt nicht mehr rollen, jetzt drücken. Jetzt den Schritt größer machen. Die Arme müssen helfen. Plötzlich sehe ich Alfred. Er ist fitter als ich, auf der langen Strecke muss ich passen. Nur hier habe ich eine Chance. Gas. Arme, Alfred, Beine, Kurve, Sportplatz. Mein Laufgenosse, Ziel, Uhr, Rasen. Sitzen. Vier Sekunden schneller als letztes Jahr. 50:37, beste Zeit auf dieser Strecke. Wunderbar. 

Es gibt Malzbier, das ist ein extra Geschenk für mich. Süß, kühl und ein bisschen Kohlensäure, es trinkt sich großartig. Nach der Rangelei um den besten Kuchen folgt später die Rangelei um einen Blick auf die ausgehängten Ergebnislisten. Platz 3 meiner Altersklasse. Schön. Weil ich mich so freue, schaue ich zuhause noch einmal nach. Der Held des Tages, sehe ich auf der Homepage des Vereins, ist allerdings jemand anders. Frank Zimmer, unangefochtener Sieger des 10ers, hat sich zum Auslaufen den anschließend gestarteten 5er genehmigt – und auch den locker gewonnen.

(Bilder vom 2007er Lauf mit freundlicher Genehmigung des TSG 1888 Nieder Erlenbach.)

 

[stextbox id=“grey“]Mehr zu Lauf und Veranstalter gibt’s unter: www.tsg-nieder-erlenbach.de[/stextbox]

 

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