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Das fängt ja gut an!

So, Jan 11, 2015

Schnipsel

Das fängt ja gut an!

Das erste Mal seit siebeneinhalb Jahren habe ich bei Laufen mit Frauschmitt eine nennenswerte Pause eingelegt. Der Grund: Ein Hund.

In diesem Text soll es deshalb ausnahmsweise kaum ums Laufen gehen. Obwohl: Eigentlich geht es sehr viel darum. Auch wenn nicht ich es bin, auf deren Laufstil ich achte. Aber von Anfang an. Seit Oktober habe ich mich intensiv auf Hundesuche begeben. Ein vierbeiniger Begleiter im Wald und überhaupt beim Laufen im Alltag – wie schön könnte das sein! Trotz meines derzeitigen Tempos habe ich dabei weniger an Schildkröten gedacht, sondern mich gleich mutig auf den Wolfsnachfahren gestürzt. Ein erwachsener Hund sollte es sein, ein bewegungsfreudiger, aus dem Tierschutz oder dem Tierheim. Ich könnte Romane schreiben über meine Gedanken zum Thema Tierschutz, über das, was ich seither gelernt habe. Aber das lasse ich natürlich, es wäre auch nicht sehr erbaulich.

Eines Tages stieß ich auf einer der unzähligen Seiten von einer der unzähligen Tierschutzorganisationen, die im Ausland tätig sind, auf eine Hündin, die mein Herz besonders erwärmte. Sie lebte in einem Canile in der Nähe von Rom und es ging ihr dort eher mittel, um es vorsichtig auszudrücken. Aber scheinbar war sie eine der Glücklichen, die dafür ausersehen waren, in eine deutsche Pflegestelle zu kommen. Von nun an nahm das Schicksal im Galopp seinen Lauf. Sie kam nach Wiesbaden, ich traf sie dort und nichts war mehr wie zuvor. Meine Bedingung für die Übernahme der Hündin war, dass sie auf die sogenannten Mittelmeerkrankheiten getestet wird und ein Tierarzt vor Ort überhaupt mal schaut, ob mit dem Viecherl alles in Ordnung ist. Schließlich wollte ich mit ihr laufen. Ein Problem mit dem Bewegungsapparat sollte sie da besser nicht haben.

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Das erste Mal Gassi gehen in Deutschland

 

Bei unserem zweiten Treffen schlurften wir beide zusammen zum Tierarzt. Mit jedem Schritt mochte ich sie lieber. Sie tolerierte hupende Autos an einer lauten Straße ebenso wie Kinderwägen, Mopeds, Fahrräder und auf sie zu rennende Kinder. Dieser Hund lief munter neben mir (und natürlich noch lieber vor mir) her. Gassi gehen – das war bei ihr mindestens seit anderthalb Jahren nicht mehr drin. Sie hatte Krallen in der Länge einer Nagelstudiobesitzerin. Einen kurzen Testtrab nahm sie begeistert auf. Sie würde ein toller Laufhund werden. Zumal sie das schon war: In ihr steckt ein Segugio, ein italienischer Laufhund, und ein Griffon, der ebenfalls ein Jagdhund ist, der ausdauernd und lange läuft.

Beim Tierarzt gab es dann einen herben Schlag für mich. Das Tier hat ein Problem mit dem Knie. Ein undefiniertes. Könnte ein unkompliziertes, akutes Problem sein. Ein Stolperer beim Toben. Das wäre kein Wunder, schließlich ist das Tier nie bewegt worden und hat eine katastrophale Muskulatur. Sie ist ein Puddinghund. Ich habe das mit dem kleinen Stolperer allerdings nicht recht geglaubt. Das Aufjaulen des Hundes im plötzlichen Schmerz beim Test werde ich nie vergessen. Ich verstehe nicht viel von Hunden, aber ich bin Läuferin. Ich verstehe etwas von Schmerzen am Knie. Und mit diesem kleinen Hundeknie stimmte ernsthaft etwas nicht. Für eine Diagnose hätte man sie sedieren und röntgen müssen und das war nicht vorgesehen. Es war ja nicht einmal mein Hund. Sie bekam entzündungshemmende Tabletten mit und wir schlappten beide mit hängenden Köpfen zurück in ihre Pflegestelle.

Was würde nun werden? Aus ihr, aus mir, aus uns? Zuhause angekommen googelte ich mir die Finger wund. Es könnte ein Kreuzbandriss sein, eine häufige Verletzung bei Hunden. Der müsste operiert werden. Ich sollte die Finger von diesem Hund lassen. Er hat eine Verletzung. Das letzte, was ich wollte, war ein Hund mit Verletzung. Ich sollte sie vergessen. Aber was würde aus ihr? Die Pflegestelle war nicht geeignet, einen Hund nach einer OP zu beherbergen. Hier lebten etliche andere Hunde auf engem Raum zusammen. Gleichzeitig sanken ihre Chancen für eine schnelle Vermittlung. Wer nimmt mal so eben einen verletzten Hund, dessen Wiederherstellung und Genesung viel Geld kostet? Ich schlief kaum noch. Ich hatte das Gefühl, ich würde einen Hund im Stich lassen, weil er möglicherweise eine ernste Verletzung hatte. Vielleicht war ja auch alles halb so schlimm? Als wir uns das nächste Mal trafen, war das Knie abgeschwollen, der Hund sprang umher, als sei nie etwas gewesen. Der Arzt, zu dem wir ein weiteres Mal aufbrachen, gab uns homöopathische Tabletten und war zuversichtlich. Der Test auf Mittelmeerkrankheiten war negativ. Es ging nicht. Ich konnte diesen Hund nicht zurücklassen. Es war längst mein Hund.

Im neuen Zuhause

Im neuen Zuhause

 

So zog sie bei mir ein. Ginny hieß sie, was sie allerdings vollkommen ignorierte. Das konnte ich gut verstehen und nannte sie Panini. Sie war mein kleines blasses Brötchen, das schönste Sammelbild im Hundalbum. Sie ist zwei Jahre alt, überall an ihrem Körper kann man Narben finden, die größte ist das Zeichen eines unerbittlichen Hundebisses in ihrem Ohr. Panini ist malträtiert. Eine Woche lief es ganz ok, mit uns und mit dem Knie. Doch nach dem ersten längeren Spaziergang begann sie zu lahmen und ich wusste schon, dass alles Verdrängen nicht half. Wir würden mit dem gemeinsamen Laufen noch ziemlich lange warten müssen.

Der Tierarzt, der nun dieses Mal „mein Tierarzt“ war, bestätigte, was ich längst wusste. Panini hatte einen Kreuzbandriss und musste operiert werden. Die Diagnose kam und ich wurde krank. Ich hatte eine schlimme Erkältung und Panini begriff nicht, warum die Frau, bei der sie nun scheinbar wohnte, plötzlich so grauenvolle Geräusche machte. Sie selbst hatte zunehmend Probleme mit Treppen und so trug ich das Tier schnaubend und hustend. 16,5 kg, 3 Stockwerke. Rauf und runter. Ein tolles Krafttraining. Aber an Laufen war nicht mehr zu denken. Ich war alle. Am 3. Dezember war Panini eingezogen, zwei Tage vor Weihnachten wurde sie operiert. Ich trug sie nun mehr und öfter. Meine Erkältung blieb.

Aua

Aua

 

Zwischen alledem versuchte ich zu arbeiten und mein normales Leben weiter zu führen. Es gelang mäßig. Zwischen den Jahren und Bergen von Plätzchen und Schokolade nahm ich 3 kg ab. Doch bald darauf ging es mir wie Panini. Wir berappelten uns. Bei ihr kein Wunder, sie ernährt sich hervorragend (im Gegensatz zu mir). Ich habe von Dr. Feil schließlich eine Menge über Gelenke gelernt. Sie ist erst 2 Jahre alt, aber sie hat Arthrose als Folge ihrer lange unbehandelten Verletzung. Auch die OP zieht meist eine Zunahme der Arthrose nach sich. Doch das operierte Knie heilt. Langsam, aber es heilt.

Nach der OP

Nach der OP

 

Nun geht es ihr wie verletzten Läufern: Schonen, langsam beginnen, nichts übertreiben. Wir gehen jetzt jeweils 15 – 20 Minuten, ganz ohne humpeln. Auch ich humple nicht, ich niese nur noch ab und zu. Und ich laufe auch wieder, ohne Panini, langsam und vorsichtig. Es wird. Das Knie war und ist nicht die einzige ihrer Baustellen, aber alle kommen voran. Nächstes Jahr um diese Zeit werden wir zusammen laufen. Die gleichmäßige moderate Bewegung ist genau das, was sie braucht. Dass ausgerechnet ein verletzter Hund mit Arthrose zu einer Läuferin gefunden hat, ist nur im ersten Moment ein Widerspruch. Panini kam zu jemandem, die weiß, was zu tun ist. Jetzt müssen wir Geduld haben, gut (fr)essen und nicht mehr niesen. Dann wird alles gut.

Panini abends

 

7Antworten um “Das fängt ja gut an!”

  1. Claudia Says:

    Ja und – wie geht’s Euch beiden inzwischen? Ich laufe noch nicht so lange, aber manchmal beschleicht mich auch der Gedanke, dass ich doch einen Hund mitnehmen könnte. Aber alle Nachbarn wollen mir ihren partout nicht borgen – immer mit der Aussage, dass er doch viel zu gern links und rechts schnuppern will, und das will ich wiederum nicht 🙂

  2. Frauschmitt Says:

    Gut geht’s uns! Laufen kann und darf Panini noch nicht, man muss Geduld haben. Ich denke, das Laufen mit Hund muss man einfach mal ausprobieren. Ich könnte mir vorstellen, dass man dem Hund erst mal Gelegenheit gibt, Dringliches zu erledigen und eine kleine Runde zu schnuppern und erst dann losläuft. Wenn es ein bewegungsfreudiger Hund ist, kann man ihn bestimmt daran gewöhnen, ohne viel schnuppern zu laufen (am besten dort, wo er die Gegend gut kennt und es nicht so viele neue Gerüche gibt). So hoffe ich das zumindest bei Panini hinzubekommen.

  3. Elke Says:

    Ooooch, welch eine Geschichte. Und mal ehrlich, beim Blick in diese treuen Hundeaugen da war zurückgeben doch keine wirkliche Option! 😉
    Ich drücke fest die Daumen, dass das mit dem Knie wieder wird. Und selbst wenn aus ihr keine Usaine Bolt oder Mocki wird: Es wird sich finden, alles wird gut!
    Liebe Grüße
    Elke

  4. Katy Says:

    Das mit dem Laufen wird schon. So ein Hund hat ja immerhin Vier-Pfoten-Antrieb und belastet deshalb seine „Knie“ doch anders als ein Mensch. Ich drücke Euch die Daumen!

    Das mit dem rechts und links schnuppern kann ich aus eigener Erfahrung nicht bestätigen. Natürlich muss ein Hund gelöst sein, bevor es ans Laufen geht, aber dann ist es für ihn die Aufgabe neben seinem Läufer herzutraben, genauso wie bei Fuß zu gehen oder am Rad zu laufen. Und das nächste Mal ist wieder Schnupperzeit. Schließlich gehst Du mit dem Hund vor die Tür und nicht der Hund mit Dir. 🙂
    Schwierig sind dann nur die Begegnungen mit Hund-Herr-Gespannen, bei denen es anders ist. – Der muss doch auch mal hallo sagen dürfen (blabla) – Aber auch das werdet Ihr schaffen! Viel Erfolg!

  5. Diana Says:

    Eure Geschichte ist total schön und ich finde es super, dass du sie trotzdem genommen hast.
    Bei meinen ersten Läufen mit meiner (inzwischen verstorbenen) Schäferhündin musste ich am Anfang oft stehen bleiben/auf der Stelle laufen, weil das schnuppern echt wichtig war! 😉 nach einer Weile hat sie dann aber begriffen, dass laufen eben laufen heißt und gehen „gassi gehen“ – Schnupperexpedition inklusive! Hach, ich hätte auch gerne wieder einen vierbeinigen Laufbegleiter…

  6. Frauschmitt Says:

    Hallo Diana,
    so wie ich sie heute kenne, würde ich sie auch als Dreibein nehmen. 🙂 Im Augenblick ist sie das praktisch sogar, denn sie hat wieder Probleme. Aber die wecken nur meinen sportlichen Ehrgeiz, sie wieder hin zu kriegen. Also, wir laufen zwar nicht zusammen, aber ich habe durch sie abgenommen, an Muskeln zugenommen und eine Art Trainingsplan haben wir auch, nur auf ihre Gesundheit bezogen. Sie ist doch genau richtig für mich. 😉


Trackbacks/Pingbacks

  1. […] das hat mich bislang immer gut bei der Stange gehalten. Das aber fällt mir derzeit schwer, wo ich den Hund noch nicht zum Laufen mitnehmen kann. Nach einem 3h-Lauf noch eine Stunde Gassi gehen, ist eine […]

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