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Traktat wider die Diskriminierung.

Fr, Mrz 1, 2013

Schnipsel

Traktat wider die Diskriminierung.

Ich werde diskriminiert. Von Männern. Und von Frauen. Besonders von Frauen. Manchmal gerate ich mit anderen Menschen ins Gespräch über das Laufen. Die anderen Menschen sagen dann meistens eine von drei Sachen. Die erste geht so: „Für mich ist das nichts. Ich hab es mal versucht, aber ich finde es unglaublich langweilig. Und dann hatte ich auch gleich Knieprobleme. Mein Arzt sagt auch, ich sollte nicht laufen. Ich hatte als Kind mal eine Kniepatellasehnenabrissknorpelplattenolfaditis, da ist Laufen kontraproduktiv. Zumal bei Langeweile.“ Das zweite Statement lautet dagegen etwa so: „Laufen ist einfach stark. Ich kriege da den Kopf ganz schnell frei. Vor fünf Jahren bin ich jeden Tag gelaufen. Die letzten Jahre eher gar nicht. Marathon wollte ich schon immer mal laufen. Vielleicht mach ich das ja bald mal. Nächste Woche, oder so.“ Die dritte Aussage ist differenzierter. Man berichtet von Schwierigkeiten mit dem Schweinehund, von Unsicherheit in Bezug auf das Tempo und gleichmäßiges Laufen oder den Mühen sich zu motivieren. Wenn mir der Mensch sympathisch ist und ich seine Unbilden für leicht lösbar halte, sage ich dann: „Wenn du Lust hast, können wir ja mal zusammen laufen.“ Dann allerdings bricht regelmäßig eine Entrüstung los, wie sie sonst nur nach mittelalterlichen Ritterspielen zu beobachten ist. Dazu gesellt sich hysterisches Lachen, der Läufer rollt mit den Augen, schaut gen Himmel und schüttelt immer wieder hospitalistisch den Kopf. „Um Gottes Willen, bloß nicht!“ schreit der Angesprochene (der oft einen doppelt ausgebuchteten Oberkörper, breite Hüften und kleine Füße hat, also eigentlich DIE Angesprochene heißen müsste). „Du bist mir viiiiiel zu schnell! Du läufst dann voraus und ich hechel hinterher! Nein, ich bin doch nicht verrüüückt!“

Vielleicht, denke ich dann, ist dies einfach nur eine kleine Trainingseinheit für die Tiefstapelmeisterschaft. Dieser Wettbewerb findet alle vier Jahre statt. Nächstes Jahr sind wieder Tiefstapelmeisterschaften, dieses Mal in Sydney. Vor drei Jahren in Montpellier gewann ein Kenianer mit einer Marathon-Bestzeit von 2:05:21 Gold. Er hatte angegeben, sein Lebenstraum sei es, einmal mit Bud Spencer zu laufen, aber er habe furchtbare Angst, sich neben ihm als schleichender Erpel zu blamieren. Ich frage deshalb meine Gesprächspartner nach ihrem Trainingsstand in Bezug auf Sydney, aber sie verstehen mich nicht, nur das hysterische Lachen geht weiter. „Mit Diiir laufen! Ha!“ Dann folgt eine ausführliche Beschreibung der eigenen Fähigkeiten. Laufen könne man das streng genommen nicht nennen, was da vor sich ginge, es handele sich eher um eine Art Krabbeln, man nehme auch oft beide Hände zur Hilfe um vorwärts zu kommen, vielleicht sei „Krauchen“ der richtige Ausdruck. Man habe auch immer das Handy dabei, mehrfach habe man schon die Ambulanz bemüht, weil man so sehr um Luft habe ringen müssen, im Spital habe man dann ein künstliches Koma erwogen, habe dann aber festgestellt, dass der Patient bereits im Koma sei, ja, eigentlich sei Koma das richtige Wort, das den eigenen Laufstil und die dabei erreichte Geschwindigkeit treffend beschreibe.

© Sebastian Krüger – Fotolia.com

Ich bin schon mit Herbert Steffny und Dieter Baumann gelaufen. Ich würde keine Sekunde zögern, einer kleinen Reisegruppe aus Mo Farah, Kenenisa Bekele, Tirunesh Dibaba und Usain Bolt im Laufschritt das „Grie Soß-Denkmal“ in Frankfurt Oberrad zu zeigen, falls Bedarf an dieser Art Zerstreuung bestünde. Ich mache das Tempo, basta. Die Herrschaften sind ja mit Slow Motions vertraut. Ich kann alle Tempi vom 5:30er Schnitt aufwärts laufen und wenn ich jemanden begleite, der ein langsameres Grundtempo hat als ich, habe ich noch nie so etwas gedacht wie: „Hahaha! Die Flasche. Gleich ziehe ich an und dann kann sie sehen, wo sie bleibt, die Null!“ Solches ist mir grundsätzlich fremd. Ich selbst bin nur zu mäßigen Geschwindigkeiten fähig, zumal derzeit. Was also bewegt Menschen zu diesen bis zur rüden Ablehnung reichenden Reaktionen? Warum wollen sie nicht mit mir laufen? Würden sie stattdessen lieber mit André Rieu Geige spielen? Mit Günther Grass dichten? Oder umgekehrt? Oder liegen die Gründe ganz woanders? Rieche ich vielleicht wie ein in Essig eingelegter Romadour und habe es nie bemerkt? Auf jeden Fall werde ich diskriminiert.

2Antworten um “Traktat wider die Diskriminierung.”

  1. Shan Dark Says:

    Och, Du armer Laufhase! Um mal noch eine Diskriminierung hinterher zu schieben… Du wirst schon sehen, wenn nach diesem offenherzigen Artikel alle nur noch mit dir laufen wollen, was das dann erst für Probleme sind.

    Jedenfalls musste ich sehr schmunzeln beim Lesen und möchte festhalten, dass ich dennoch auch jetzt lieber mit Dir gemütlich bei Rotwein und Apfelschorle übers Bloggen rede, als Dich beim Laufen zu begleiten. Aus keinem der genannten Gründe 😉

  2. Jörg Says:

    Das kenne ich aber auch gut und neige zu größten Zweifeln bei Aussagen, daß jemand auch öfter läuft oder gelaufen sei.
    Allerdings habe ich auch schon gelegentlich bei Männern das Gegenteil erlebt, die dann versuchten mit mir ein Rennen zu laufen. In der Regel kann ich das Tempo mithalten und bemühe mich dabei locker zu plaudern. Die sind dann allerdings nie wieder mit mir gelaufen


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